Digital Natives vs. Digital Immigrants: So begeistern Sie alle

4. Juli 2022 11 Minuten Lesezeit E-LearningTipps & Tricks

Julia Kammermeier
Learning Consultant

Was Sie aus diesem Artikel mitnehmen

  • Der Unterschied zwischen Digital Natives und Digital Immigrants
  • Die Unterschiede im Lernverhalten von Digital Natives und Digital Immigrants
  • Wie Sie E-Learning Content sowohl für Digital Natives als auch Digital Immigrants erstellen

Generationsübergreifendes E-Learning

Metaverse, künstliche Intelligenz, virtuelle Realität – moderne Technologien entwickeln sich immer schneller. Selbst jüngere Generationen wie Millennials oder Gen Z, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind, sind teilweise überfordert. Für diejenigen, die nicht damit aufgewachsen sind, ist die Hürde noch einmal höher.

Besonders im Bereich Corporate Learning stellt sich für Unternehmen eine ganz besondere Herausforderung – jetzt wo ein Teil der Generation Z im Berufsleben angekommen ist: Wie können sie die Brücke zwischen den Generationen, die ganz unterschiedliche Lernverhalten haben, schlagen?

Digital Natives versus Digital Immigrants: Unterschiede im Lernverhalten

Die Begriffe „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“ wurden vom US-amerikanischen Pädagogen und Manager Marc Prensky geprägt. Übersetzt bedeuten die beiden Bezeichnungen so viel wie „Digitale Eingeborene“ und „Digitale Zuwanderer“. Also diejenigen, die mit den digitalen Medien aufgewachsen sind und diejenigen, die diese erst im späteren Leben kennenlernen. Natürlich gibt es verschiedene Abstufungen der digitalen Kompetenz in beiden Gruppen. Es gibt Digital Natives, die sich wenig mit den neuen Medien auskennen und es gibt Digital Immigrants, die absolute Technik-Profis sind. Die unten beschriebenen Lernverhalten betreffen also einen Großteil der Gruppenmitglieder – aber nicht alle. Wie genau unterscheiden sich diese beiden Gruppen also?

Digital Natives: Harder, better, faster, stronger

Mit Digital Natives werden Menschen bezeichnet, die ab ca. 1980 geboren wurden. Also die erste Generation, die mit den neuen Medien wie dem Internet und Handys aufgewachsen sind. Sie fühlen sich wohl in der Online-Welt – egal ob im Privaten oder im Berufsleben. Es gibt einige Merkmale, die das Lernverhalten von Digital Natives kennzeichnen:

Sie …

  • … sind werteorientiert: Ein sehr wichtiger Punkt für Digital Natives ist der „Sinn“: „Wozu soll ich das machen? Was für einen nachhaltigen Mehrwert liefert es mir – und der Welt?“ Das sind Fragen, die sich jüngere Generationen bei jeder Aufgabe stellen.

  • … sind immer online: Dank Smartphones ist jede und jeder immer mit dem Internet verbunden. Das Internet ist der erste Anlaufpunkt. Lernende möchten von überall und jederzeit auf Inhalte zugreifen können.

  • … bevorzugen Online-Kommunikation: Die jüngere Generation bevorzugt es, online zu kommunizieren. Ein Großteil des sozialen Kontaktes findet online statt – z.B. über Messenger und sozialen Medien.

  • … benutzen Wörter und Emojis anders: „Sus“, „IYKYK“ oder „main character energy“ – die jüngere Generation benutzt eine ganz andere Sprache. Auch Emojis haben eine ganz andere Bedeutung. Nutzen Sie noch dieses Emoji 😂, um Lachen auszudrücken? Glückwunsch, Sie dürfen sich offiziell „alt“ nennen. Gen Z nutzt nun 💀.

  • … möchten Flexibilität beim Lernen: Erst wenn man Schritt 1 beendet hat, darf man Schritt 2 beginnen? Jüngere Lernende bevorzugen es, im eigenen Tempo zu lernen und möchten ein Training flexibel je nach Lust und Laune durchführen.

  • … mögen es schnell und kurzweilig: 5 Seiten Einleitung und 20 Klicks, bis man zur eigentlichen Aufgabe kommt und kein Video in Sicht? Die Jungen mögen es schnell und es sollte Spaß machen. Sie bevorzugen kurzweilige Inhalte wie Infografiken oder Videos, die vor allem eins tun müssen: schnell Wissen vermitteln.

  • … bevorzugen Interaktivität: Statt Frontalunterricht, bevorzugen Digital Natives ein immersives Erlebnis – sie möchten also komplett in die Lernumgebung eintauchen können. Sie möchten mit den Inhalten interagieren und sich Wissen selbst aneignen.

Digital Immigrants: Business as usual

Digital Immigrants sind alle, die vor 1980 geboren sind und nicht mit dem Internet, Smartphones und anderen digitalen Technologien aufgewachsen sind. Sie mussten sich neue Technologien und eine neue „Sprache“ aneignen – manche schneller als andere. Da sie diese neuen Fähigkeiten erst im Erwachsenenalter erlenen mussten und nicht wie die jüngeren Generationen damit aufgewachsen sind, ist die Lernkurve für sie etwas flacher. Das führt auch dazu, dass sie ganz anders lernen als Digital Natives:

Sie …

  • … sind zielorientiert und strukturiert: Digital Immigrants bevorzugen Struktur und Zielsetzungen. Sie bevorzugen Trainings, die so aufgebaut sind, dass sie die Lernenden Schritt-für-Schritt durch die Lektionen führen. Sie sind fokussiert darauf das Training erfolgreich abzuschließen.

  • … bevorzugen „richtige“ Sprache: Digital Natives bevorzugen ganze Sätze und ausgeschriebene Wörter statt Akronyme.

  • … brauchen Zeit, um sich mit der Technik vertraut zu machen: Digital Immigrants benötigen eine Eingewöhnungszeit, in der sie sich mit dem Training vertraut machen können.

  • … fokussieren sich gerne auf eine Sache: Anstatt von vielen unterschiedlichen Dingen auf dem Bildschirm abgelenkt zu werden, bevorzugen sie eine klare Text-Bild-Struktur. So können sie sich ganz auf den Inhalt konzentrieren.

  • … bevorzugen eine feste Ansprechperson: Während Digital Natives bei Fragen direkt im Internet nach den Antworten suchen, bevorzugen Digital Immigrants eine feste Ansprechperson. Diese Ansprechperson soll bei Fragen und Problemen zur Verfügung stehen und die Lernenden durch das Training führen.

  • … benötigen weniger Personalisierung: Digital Immigrants bevorzugen ein Training ohne großen Schnickschnack und Personalisierungsmöglichkeiten – sie möchten sich auf das Wesentliche konzentrieren.

So bringt man die Generationen zusammen: Stop, collaborate and listen

Digital Natives und Digital Immigrants haben also sehr unterschiedliche Lernverhalten und Anforderungen an E-Learning Trainings. Wie kann man diese Unterschiede nun vereinen und Lernende jeder Generation begeistern? Hier sind ein paar einfache Tipps:

  • Anfänger- und Fortgeschrittenen-Modus: Wenn möglich, erstellen Sie ganz am Anfang des Trainings eine Weiche, mit der Sie Ihre Lernenden in Anfänger (=Digital Immigrants) und Fortgeschrittene (=Digital Natives) einteilen können. Hier geht es natürlich nicht um die fachliche Expertise, sondern darum, wie gut sich die Lernenden mit dem Handling von Lerntools auskennen. So können Sie den nachfolgenden Inhalt an die jeweilige Zielgruppe anpassen. Für Digital Natives können Sie zum Beispiel interaktive und anpassbare Elemente einfügen. Für Digital Immigrants können Sie die Interaktion auf ein Minimum reduzieren und die Lernenden strukturiert durch das Training führen.

  • Optionales Pre-Training: Digital Immigrants brauchen oft etwas Zeit, um sich mit neuen Tools vertraut zu machen. Es ist auch nicht für jeden Native immer direkt klar, wie etwas funktioniert. Eine Einleitungsfolie mit verständlichen Anweisungen und einer kurzen „So navigieren Sie durch das Training“-Anleitung ermöglicht es den Lernenden mit dem Training schneller vertraut zu werden. Digital Natives können das Training überspringen – wie sie es bei Videospiel-Tutorials gerne machen.
  • Flexibilität schaffen: Digital Immigrants brauchen Struktur, Digital Natives brauchen Freiraum. Um beiden Ansprüchen gerecht zu werden, sollten Sie Trainings so aufbauen, dass sie einen klaren Lernpfad haben (z.B. Schritt 1-5), aber den Lernenden dennoch auch die Möglichkeit offen halten, die Schritte nicht in chronologischer Reihenfolge zu erledigen und zwischen verschiedenen Lektionen zu springen. Auch können Sie fertige „Training Bundles“ zusammenstellen oder es den Lernenden freistellen sich ein persönliches „Bundle“ zu schnüren – ganz nach ihren Bedürfnissen, Zielen und Lernstand.

  • Freiheiten geben: Geben Sie den Lernenden auch immer die zeitliche Freiheit. Oft gibt es Quizzes in denen man nur ein paar Sekunden Zeit hat zu antworten. Für Digital Immigrants, die sich noch mit der Technik vertraut machen müssen, erhöht es den Druck immens, wenn sie auch noch Fragen innerhalb einer bestimmten Zeit beantworten müssen. Das führt zu einem negativen Lernerlebnis und ist nicht zielführend. Das Ziel sollte es sein, dass die Lernenden das Gelernte auch wirklich langfristig aufnehmen und praktisch anwenden können und nicht, dass sie innerhalb von 10 Sekunden eine Frage beantworten können.

  • Ziele und Werte kommunizieren: Während Digital Immigrants ein klares Lernziel brauchen, muss man für Digital Natives auch noch den Mehrwert des Trainings kommunizieren. Sie müssen also zwei Fragen beantworten: „Was ist das Ziel des Trainings und wozu soll ich das Ziel erreichen?“ Statt einfach eine Anweisung zu geben, sollten Sie den Lernenden kommunizieren, welchen Mehrwert das Training für sie persönlich hat. Heben Sie hervor, welche Fähigkeiten die Lernenden dank des Trainings erlernen und was für eine positive Auswirkung es für sie selbst und die Welt hat.

  • Responsives Design: Damit alle Lernenden an ihrem bevorzugten Gerät lernen können, sollten sie Trainings immer in einem responsiven Design anbieten. Responsive bedeutet, dass sich der Inhalt an den Bildschirm anpasst und die Darstellung so optimiert ist, dass die Inhalte immer gut aussehen – auf dem Laptop, dem Smartphone oder Tablet. So können Digital Immigrants entspannt von zu Hause auf dem Desktop-Rechner lernen, während Digital Natives unterwegs auf dem Handy das Training absolvieren können.
  • So viele Infos wie nötig, so wenige wie möglich: Digital Natives möchten so wenig Lesen wie möglich (Stichwort „TLDR“ = „Too long, didn’t read“), während Digital Natives weiterführende Informationen benötigen. Stellen Sie Zusatzinformationen z.B. in einem Pop-Up oder Drop-Down zur Verfügung. Wichtig ist, dass Sie klar kennzeichnen, wie die Lernenden zu diesen Zusatzinformationen gelangen. Ein einfacher Hyperlink mit dem Text „Klicken Sie hier für weitere Informationen“ genügt oft.

  • Kurze und prägnante Videos: Neben Texten und Bildern sollten sie auch Videos in Ihre Trainings einbinden. Sowohl Digital Natives als auch Immigrants wissen dieses Medium zu schätzen. Halten Sie die Videos aber kurz. Statt einem 10-minütigem Video, teilen Sie das Video in mehrere 30-60 Sekunden Videos. Da Digital Immigrants „Face-to-Face“-Interaktionen bevorzugen, können Sie auch mit dem Video-Format „Talking Heads“ arbeiten. In solchen Videos leiten „echte“ Menschen durch das Video.

Fazit

Es ist wichtig zu betonen, dass keine Gruppe der anderen überlegen ist. Digital Natives sind nicht besser als Digital Immigrants und umgekehrt. Beide Gruppen können voneinander lernen: Die Digital Immigrants können technisches Know-how, aber auch neue kreative Denkweisen von den Digital Natives lernen. Digital Natives können aus dem Erfahrungsschatz der Digital Immigrants wichtige Lehren ziehen – schließlich haben die Immigrants die Technologien entwickelt, die die Natives nun nutzen.

Die Grenze zwischen Digital Natives und Digital Immigrants verläuft auch nicht nur entlang der Alterslinie. Natürlich gibt es auch Digital Immigrants, die sehr technik-affin sind. Umgekehrt gibt es Digital Natives, die modernen Technologien eher skeptisch gegenüberstehen. Es spielen auch andere Faktoren als das Alter, wie z.B. soziale und kulturelle Aspekte oder Zugang zu neuen Technologien, eine wichtige Rolle für die Bewertung der digitalen Kompetenz (engl.: digital literacy).

Wenn Sie Digital Natives und Digital Immigrants mit Ihrem E-Learning Content begeistern möchten, sollten Sie den Fokus mehr auf die Gemeinsamkeiten als auf die Unterschiede legen. Letztendlich gibt es immer ein gemeinsames Ziel: Neues Wissen und neue Kenntnisse zu erlangen!

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